Fachkräfte finden? Kritik an der Praxis & ein Case
Fachkräfte finden? Ein Beispiel aus der Praxis zeigt die Realität
Ein Unternehmer möchte vier qualifizierte chinesische Fachkräfte einstellen. Was folgt, ist eine über ein Jahr andauernde Behörden-Odyssee. Der Fall zeigt exemplarisch, vor welchen Herausforderungen kleine Unternehmen stehen, wenn sie international rekrutieren wollen.
Der Unternehmer
Dr. Carsten Jaekel ist promovierter Sinologe, Historiker und MBA-Absolvent. Er verfügt über langjährige China-Erfahrung, u. a. als CFO eines deutsch-chinesischen Joint Ventures. In Deutschland betreibt er ein Unternehmen im Bereich Solartechnik – mit Fokus auf Solaranlagen, Wärmepumpen und energieerzeugende Systeme.
Das Ziel
Jaekel will vier chinesische Fachkräfte mit akademischen Abschlüssen (u. a. von deutschen Hochschulen) anstellen, um gemeinsam bezahlbare und technologisch fortschrittliche Solartechniklösungen in Deutschland zu entwickeln und zu installieren. Fördermittel benötigt er dabei nicht – er wirbt damit, konkurrenzfähige Preise auch ohne Subventionen anbieten zu können.
Die erste Hürde: das Generalkonsulat Guangzhou
Der Antrag auf Arbeitsvisa für die vier Mitarbeitenden nach §18g Abs. 1 S. 1 AufenthG (EU Blue Card für Regelberufe) wird vom deutschen Generalkonsulat in Guangzhou abgelehnt. Die Begründung wirkt aus unternehmerischer Sicht ungewöhnlich:
- Auf Jaekels Website sei nur von „Solar“ die Rede, nicht von „Photovoltaik“ – dies deutet laut Konsulat auf fehlende Fachkenntnis hin.
- Die angebotenen Gehälter seien zu hoch für angebliche „Installateure“ – obwohl es sich um studierte Ingenieure handelt.
- Die Behörde zweifelt an der fachlichen und finanziellen Eignung des Unternehmens – obwohl ein anerkannter Businessplan einer Big-Five-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorliegt.
- Dass das Unternehmen in Mönchengladbach gemeldet, aber in Neumünster (Schleswig-Holstein) aufgebaut werden soll, erscheint dem Konsulat widersprüchlich – obwohl Jaekel dort eine Immobilie besitzt.
In Deutschland: Behörden verweigern Zuständigkeit
Jaekel beantragt eine Vorabzustimmung der Ausländerbehörde Mönchengladbach, um den Visaanträgen aus China eine rechtliche Grundlage zu geben. Ergebnis:
- Man sehe sich personell überfordert und rechtlich nicht zuständig.
- Verweis auf eine Zentralstelle in Köln, die jedoch ebenso überlastet sei.
Ein neuer Versuch in Neumünster (Schleswig-Holstein) bringt erstmals positive Ergebnisse: Die Behörden dort bewerten das Konzept wohlwollend, erkennen den Unternehmenszweck (Beratung, nicht bloß Installation) an und stimmen der Beschäftigung der Fachkräfte zu. Doch das Konsulat in China bleibt unbeeindruckt – es erkennt die deutsche Zustimmung nicht an.
Konsulat zweifelt Unternehmenszweck und Standort erneut an
Weitere Ablehnungen folgen:
- Der neue Fokus auf Beratung wird nicht nachvollzogen.
- Der Firmenstandort sei nicht klar erkennbar, da kein Schild am Gebäude angebracht sei.
- Die Website enthalte zu wenig konkrete Informationen.
Ein einzelnes Visum wird schließlich über ein anderes Konsulat in Chengdu erteilt – bringt aber kaum Erleichterung, da Jaekel das Team nur vollständig einsetzen will.
Konsequenz: Einer steigt aus, Petition läuft
Einer der Bewerber springt mittlerweile ab, andere Angebote liegen vor. Jaekel reicht beim Petitionsausschuss des Bundestags Beschwerde ein – mit vollständiger Dokumentation. Die Reaktion steht aus.
Fazit: Ein Einzelfall mit Signalwirkung
Der Fall zeigt, wie schwer es selbst erfahrenen Unternehmern mit soliden Konzepten fällt, dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Unterschiedliche Bewertungen zwischen Innen- und Außenbehörden, personelle Engpässe und formale Interpretationen behindern den Prozess.
Wichtige Lehren für andere Unternehmer:
- Bereite umfangreiche Dokumentationen für alle Stellen vor – in deutscher und englischer Sprache.
- Rechne mit langen Bearbeitungszeiten und Widersprüchen zwischen Inlands- und Auslandsbehörden.
- Ein stimmiger Webauftritt kann über Erfolg oder Ablehnung mitentscheiden.
- Auch ein durch Wirtschaftsprüfer erstellter Businessplan schützt nicht vor Ablehnung.
- Ein konsistentes Standortkonzept (Adresse, Briefkasten, Schild, Webseite) kann entscheidend sein.
Derzeitiger Stand: Die Visa sind abgelehnt, eine Petition läuft, politische Antworten stehen noch aus.
Einordnung des BuVeC e. V.: Was das Beispiel deutlich macht
Der Fall Carsten Jaekel verdeutlicht, wie entscheidend effiziente Genehmigungsprozesse und klar geregelte Zuständigkeiten für die Fachkräfteeinwanderung sind. Es darf nicht sein, dass sich Verfahren über mehr als ein Jahr hinziehen, weil Behörden sich gegenseitig nicht abstimmen, Zuständigkeiten unklar sind oder personelle Ressourcen fehlen. Für kleine und mittlere Unternehmen kann ein solcher Zeitverlust existenzielle Folgen haben.
Auch juristische Klärungen müssen zügiger möglich sein. Ein Rechtsweg, der mit unsicherem Ausgang Jahre dauert, ist für viele Unternehmer schlicht nicht praktikabel. Es braucht beschleunigte Verfahren, abgestimmte Prozesse und verbindliche Fristen – sonst bleibt die viel beschworene Fachkräftezuwanderung eine theoretische Idee, die in der Praxis scheitert. Wer investiert und unternehmerisch handelt, muss sich auf einen funktionierenden, berechenbaren Verwaltungsapparat verlassen können.
(Der ursprüngliche Artikel erschien zuerst auf Business Punk/Fokus online)
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